Über uns

Wohnsitzlos in Mainz ist ein Verein, der bedürftige Menschen in Mainz unterstützt.

Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Wohnungslosen und hilfsbedürftigen Menschen in Mainz und Umgebung zu helfen. Auch die Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden gilt es zu verbessern.

„Wohnsitzlos in Mainz“ ist bereits seit einigen Jahren als Initiative in Mainz und Umgebung aktiv.
Initiatorin Nathalie Böhm ist selbst obdachlos und hat in den letzten Jahren ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den „Obis“, wie sie die Obdachlosen liebevoll nennt, aufgebaut. Dieses Vertrauen ist elementar, um den Wohnsitzlosen auf Augenhöhe zu begegnen, im Alltag zu helfen, ihre Bedürfnisse zu erfassen, aber auch in Konflikten zu vermitteln und Grenzen zu setzen.

In 2018 wurde dazu der Verein Wohnsitzlos in Mainz e.V. gegründet, um die Arbeit der Initiative auf eine breite Basis zu stellen. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Wohnungslosen und hilfsbedürftigen Menschen in Mainz und Umgebung zu helfen. Gleichzeitig ist es unser Ziel, die Gesellschaft zu sensibilisieren. Vielen ist oftmals nicht klar, mit welchen Sachspenden sie wirklich helfen können oder wie sie sich Hilfsbedürftigen gegenüber verhalten sollen – viele Menschen sind in ihrem Alltag damit überfordert. Wir möchten, dass gerade in einer so tollen Stadt wie Mainz der Zusammenhalt gestärkt wird, dass die Menschen wieder mit offenen Augen durch die Stadt gehen und Hilfe anbieten, wenn sie sehen, dass sie benötigt wird. Oftmals helfen hier schon Kleinigkeiten.

Wir wollen Begegnungen auf Augenhöhe schaffen, Berührungsängste abbauen und das Verständnis und die Toleranz für verschiedene Lebenssituationen stärken. Das Besondere an unserem Verein ist dabei die Zusammenführung von Wohnsitzlosen und Menschen mit Wohnsitz in der Mitgliederstruktur und in unseren Aktionen. Wohnsitzlose engagieren sich (selbstverständlich ohne Mitgliedsbeitrag) in unserem Verein und schaffen so ein tieferes Verständnis für ihre Situationen und Bedarfe.

Wir organisieren Sachspenden je nach Bedarf über unsere Facebook-Gruppe. Wohnsitzlos in Mainz e.V. organisiert Sachspenden und leistet Soforthilfe in prekären Situationen.
Dabei arbeiten wir eng mit dem Tagesaufenthalt und die Kleiderkammer der Mission Leben gGmbH in Mainz zusammen. Auch engagieren wir uns in der Foodsharing-Mainz-Gruppe in Facebook, um Lebensmittel zu retten und beim Frühstück oder Mittagessen im Tagesauftenhalt anzubieten und in der Facebook-Gruppe „Free your stuff Mainz“, um Sachspenden, die dort ohne direkten Aufruf angeboten werden, einzusammeln. Weiterhin bieten wir in Kooperation mit der George Ford Akademie in Mainz Selbstverteidigungskurse für Wohnsitzlose an, denn wohnsitzlose Frauen und auch Männer sind häufig Opfer von An- und Übergriffen, sexueller und diskriminierender Gewalt.

Da die Initiatorin Nathalie Böhm seit einigen Jahren schwer erkrankt ist, ist es ausgesprochenes Ziel des Vereins, ihre Philosophie der Hilfe auf Augenhöhe zu institutionalisieren. Durch unsere alltägliche Arbeit wird das Vertrauen der Wohnsitzlosen auf den Verein bzw. engagierte Personen mit übertragen. So entsteht eine gemeinsame Grundlage für eine nachhaltige Hilfe. Neben den Zusagen verschiedener Medien, über den Verein zu berichten, sind auch einige regionale Unternehmen an einer langfristigen Unterstützung unserer Arbeit interessiert. Dank unserer Anerkennung der Gemeinnützigkeit können wir diese Kooperationen nun angehen. Indem wir die Wohnsitzlosen in unsere Arbeit aktiv mit einbeziehen, dienen diese auch als Multiplikatoren, bringen uns mit weiteren wohnsitzlosen Menschen in Kontakt und verstetigen unsere Arbeit.

Wir möchten Ihnen an dieser Stelle Nathalie Böhm in einem Selbstportrait vorstellen.

Mein Name ist Nathalie Böhm. Ich habe meine Wurzeln in Lörzweiler bei Mainz und bin im Herzen „e Meenzer Meedsche“.

Seitdem ich 17 Jahre alt bin habe ich im medizinischen Bereich gearbeitet und mich über die Jahre hinweg als Krankenschwester weitergebildet und ein Studium hinter mich gebracht. Ich habe mich bewusst für die Arbeit in der Psychiatrie entschieden und bin dort schon früh immer wieder mit Obdachlosen in Kontakt gekommen. Jahrelang hatte ich das Bedürfnis, etwas für sie zu tun..

Zeitweise hatte ich meinen Job verlassen, um zum Beispiel eine Kneipe zu führen, habe in einer Werbeagentur gearbeitet und bin durch die Welt gereist. Doch es zog mich wieder zurück in den psychiatrischen Bereich.

Durch einen schweren Motoradunfall erlebte ich selbst einen persönlichen Absturz, war kurz vor der Obdachlosigkeit. Als es mir dann gesundheitlich wieder besser ging, habe ich mich aktiv für die Obis, wie ich sie liebevoll nenne, eingebracht.

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit wurde ich verstärkt bei Obdachlosen eingesetzt und habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, wie und warum man in diese Situation gerät, wie der Weg als Obi aussehen kann und mit welchen Problemen und Schwierigkeiten die Menschen auf der Straße zu kämpfen haben.

Über einen ehemaligen Kollegen kam ich zum Tagesaufenthalt der Mission Leben, und bringe mich seitdem dort als ehrenamtliche Helferin ein. Wegen diverser Krebserkrankungen, PTBS und Firbomyalgie bin ich seit 6 Jahren in Rente und verbringe mindestens drei Mal pro Woche meine Freizeit dort. Meinen privaten Alltag verbrachte ich im Wetterau/ Vogelsbergkreis, kaufte mir dort einen alten Bauernhof und plante, dort etwas mit Obis und Tieren gemeinsam aufzubauen. Vor ziemlich genau 4 Jahren wurde mein Hof von einer Regenwasserüberflutung getroffen, ein riesiger Schaden entstand. Gleichzeitig kam meine Krebserkrankung zurück und ich kämpfte, mit allem was ich hatte – immerhin hatte ich die Gewissheit, gegen den Flutschaden versichert zu sein. Die Versicherung ließ und lässt mich noch immer im Regen stehen und meine Angst, einmal selbst obdachlos zu werden, bewahrheitete sich.

Die Obis, die ich ja kannte, halfen mir, unterstützten mich, bei den Aufräumarbeiten, beim Kampf mit den Behörden und der Versicherung und im Kampf gegen den Krebs. Sie nahmen mich in ihrer Mitte auf und hielten zu mir. Heute werde ich manchmal die „Mutter der Obdachlosen“ oder der „Engel der Obdachlosen“ genannt – mein Engagement wurzelt in dieser Zeit. Ich habe Kleidung und Lebensmittel besorgt, versucht, Zelte, Isomatten und solche Dinge, die man eben auf der Straße braucht, zu organisieren. Ich habe viele Gespräche geführt, versucht, kleine Wünsche zu erfüllen, Weihnachten, Ostern und andere Feste zu organisieren und den Obis etwas zurück zu geben. Meine Spendenaufrufe organisierte ich über Facebook, hatte dort dann auch Kontakt zu vielen hilfsbereiten Menschen, organisierte Sammelpunkte für Sachspenden und sammelte diese mit meinem VW-Busschen Paulchen ein. Wir beschlossen, eine Gruppe für die Wohnsitzlosen zu gründen, um uns besser zu organisieren. Leider flaute das Engagement schnell ab und es gab nicht viele, die bereit waren, auf eigene Faust dauerhaft ihre Zeit oder Geld zu investieren. Ich beschloss, die Gruppe zu verlassen, und alleine weiter zu machen. Im Freundeskreis, im Bekanntenkreis, über Facebook – es entwickelten sich viele Kooperationen wie mit Foodsharing Mainz, mit dem Mainzer Tierheim und mit der George Ford Akademie. Durch die Aktionen arbeiteten auf einmal immer mehr Leute enger zusammen, zum Beispiel, als ich im Winter mit meinem Bus Paulchen durch Mainz fuhr, um Decken und Schlafsäcke einzusammeln und dort zu verteilen, wo sie gebraucht werden. Es wurde Tee, Kaffee, Suppe und vieles mehr spendiert, um den harten Minusgraden zu trotzen und den Obis ein paar warme Minuten zu gönnen. Dabei ist es enorm wichtig, dass ich als „Vermittlerin“ zwischen den Spendern und den Obis stehe – nicht, weil ich mich in den Mittelpunkt drängeln möchte, sondern weil die Menschen auf der Straße einen besonderen Hintergrund haben, einen Grund, warum sie auf der Straße leben, und Fremden durchaus auch skeptisch oder ängstlich gegenüber stehen. Durch meine lange gemeinsame Zeit mit den Obis schaffte ich es, Vertrauen zu vielen zu fassen, bin bei den Obis bekannt und schaffe es, an sie heran zu kommen.

Durch die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“, die 2017 enorme Resonanz bekam, wurde uns wieder klar: Wir brauchen den Verein. Viele Mitglieder der Facebook-Gruppe „Wohnsitzlos in Mainz“ merken, wie vielfältig unsere Aktionen sind: Ob es um die Wohnungssuche für Obis geht, die Einrichtung neuer Wohnungen, weg von der Platte, hin zum Leben in einer eigenen Wohnung – oder um Ämtergänge, Situationen im Alltag, das Organisieren von Sachspenden wie Klamotten und Lebensmitteln, Hilfe bei Krankheit und Organisation einer Krankenversicherung, Hilfe für die Tiere der Obis, Hilfe für depressive Phasen, etc. Auch Gewalt gegen Obis und Helfer wurde leider verstärkt zum Thema. Hier reagierte George Ford spontan und schulte uns in Gewaltprävention. Viele haben seine Hilfe dankbar angenommen und sind immer noch aktiv, um weitergebildet und gestärkt auch selbst durchzuhalten und weiter helfen zu können.

Nachdem mein Bus Paulchen dann auch noch das Zeitliche gesegnet hatte, wurde eine Spendenaktion zur Finanzierung einer Reparatur bzw. eines neuen fahrbaren Untersatzes gestartet. Durch die Situation, meine Tätigkeiten nicht mehr weiter durchführen zu können, da mich die Reparatur in finanzielle Schwierigkeiten brachte, wurde einigen meiner Mitstreiterinnen und Mitstreitern erst bewusst, dass ich bisher alles aus eigener – wenn auch kleiner – Tasche finanziert hatte. Spritgeld, regelmäßige Spenden und viele andere Ideen kursierten, damit ich weiter machen konnte.

Eine Gruppe von 6 Leuten kam zusammen, wir planten seit über einem Jahr, diskutierten Ideen, Herausforderungen und Lösungsansätze. So kam auch der Gedanke auf, einen Verein zu gründen, um effektiver helfen zu können, um regelmäßige Spenden einzunehmen, um auch Spendenquittungen ausstellen und so von offiziellen Stellen und Unternehmen gefördert zu werden und die Arbeit zu verstetigen. Im Laufe der Planungen und Diskussionen kamen viele neue Gesichter dazu, einige gingen auch wieder, wieder neue kamen hinzu – so bildete sich eine Gruppe mit gutem Zusammenhalt und einer gemeinsamen Vision. Vor einigen Tagen konnten wir unsere Gründungssitzung für den Verein „Wohnsitzlos in Mainz“ erfolgreich hinter uns bringen.

Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Wohnungslosen und hilfsbedürftigen Menschen in Mainz und Umgebung zu helfen. Wir möchten den Kältebus in Zusammenarbeit mit dem Tagesaufenthalt der Mission Leben und der Stadt reaktivieren und die Wohnsituation der Menschen insbesondere in den Wintermonaten verbessern. Auch die Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden gilt es zu verbessern.

Gleichzeitig ist es unser Ziel, die Gesellschaft zu sensibilisieren, dass es Menschen gibt, die Hilfe benötigen. Vielen ist oftmals nicht klar, mit welchen Sachspenden sie wirklich helfen können oder wie sie sich Hilfsbedürftigen gegenüber verhalten sollen: Nicht wegsehen, nicht weggehen, die Menschen ansprechen, Gespräche führen, Nahrung und ggf. Wasser oder warme Getränke anbieten – so einfach es hier auch klingen mag, viele Menschen sind in ihrem Alltag damit überfordert.

Wir möchten, dass gerade in einer so tollen Stadt wie Mainz der Zusammenhalt gestärkt wird, dass die Menschen wieder mit offenen Augen durch die Stadt gehen und Hilfe anbieten, wenn sie sehen, dass sie benötigt wird. Oftmals helfen hier schon Kleinigkeiten.